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Heroische Komödie von Edmond Rostand
  "Cyrano de Bergerac"
 
Premiere am 22. Juni 2003
     
 
Regie: Manuel Soubeyrand
    Ausstattung: Mike Hahne
     


Ja, mein Schicksal ist,
Stets der zu sein, der vorsagt, und den man vergisst!
Erinnern Sie sich, als Christian vor dem Balkon
Mit ihnen sprach? So war's mein ganzes Leben schon:
Ich bleibe unten, muss mich in den Schatten drücken,
Die Andern steigen hoch, den Kuss des Ruhms zu pflücken.
Es ist gerecht, am Rand des Grabes hab ich's eingesehn:
Moliere ist gottbegnadet, und Christian war schön!


   
   
Cyrano de Bergerac wird für seine Fechtkunst gefürchtet, für seine Dichtkunst geschätzt und seiner riesigen Nase wegen verlacht. Dieser Umstand kostete manchem Spötter im Duell das Leben.

Gerade wegen seiner großen Nase wagt der im Kampf so draufgängerische Cyrano es nicht, der schönen Roxane seine Liebe zu offenbaren. Als er von der Neigung Roxanes zu dem jungen Kadetten Christian erfährt, entsagt Cyrano seinem eigenen Glück, stellt Christian unter seinen persönlichen Schutz und leiht dem tölpelhaften Schönling sogar seine Dichtkunst, um mit Briefen Roxanes Herz endgültig für Christian zu erobern und den einflussreichen Grafen de Guiche abzuwehren, der ebenfalls um Roxane wirbt.
So bleibt Cyrano nichts als der Genuss, der Geliebten wenigstens in seinen Briefen nah zu sein. Nachdem der enttäuschte Nebenbuhler de Guiche von der Hochzeit zwischen Christian und Roxane erfahren hat, schickt er die Kompanie von Cyrano und Christian kurzerhand an die Kriegsfront, wo Christian getötet und Cyrano schwer verwundet wird. Erst fünfzehn Jahre später enthüllt Cyrano Roxane das Geheimnis seiner Liebe und stirbt in ihren Armen.

   
   
Der historische Cyrano de Bergerac (1619 -1655) war ein rauflustiger Gascogner Kadett und ein wissenschaftlich gebildeter Kopf, der mit seiner "Reise zum Mond und zur Sonne" eine noch heute erstaunliche Utopie schrieb, vorweggenommene Science-Fiction mit satirischer und moralischer Tendenz. 1897 stellte Edmond Rostand diesen fast vergessenen Barockdichter in den Mittelpunkt einer vollkommen unzeitgemäßen romantischen Komödie - und erzielte damit den größten französischen Theatererfolg aller Zeiten. Spätestens seit der Verfilmung mit Gérard Depardieu in der Titelrolle ist das Stück auch hierzulande weithin bekannt.
 
Die Premiere spielten:
Cyrano de Bergerac
-
Nils Brück
Christian de Neuvilette
-
Jan Ole Sroka
Graf de Giuche
-
Stefan Schweninger
Roxane, Cyranos Cousine
-
Antje Weber
Roxanes Duenna
-
Elvira Grecki
Le Bret, Cyranos Freund
-
Philipp Alfons Heitmann*
De Valvert, Günstling Guiches
-
Sacha Tschorn*
De Ligniêre, Edelmann
-
Özgür Platte*
De Cuigy, Edelmann
-
Bernhard Conrad*
Büfettmädchen
-
Carmen Birk*
Ein Bürger
-
Mathias Noell
Montfleury, Schauspieler
-
Maike Jebens*
Bellrose, Theaterdirektor
-
Carola Sigg
Tänzerin
-
Julia-Maria Köhler*
Ragueneau, Pastetenbäcker
-
Thomas Kornack*
Lise, Ragueneaus Frau
-
Julia-Maria Köhler*
Ein Musketier
-
Sacha Tschorn*
Erster Poet
-
Maike Jebens*
Zweiter Poet
-
Carmen Birk*
Dritter Poet
-
Carola Sigg
Carbon de Castel-Jaloux,
Hauptmann der Kadetten
-
Mathias Noell
Erster Kadett
-
Bernhard Conrad*
Zweiter Kadett
-
Özgür Platte*
Dritter Kadett
-
Sacha Tschorn*
Page
-
Maike Jebens*
Page
-
Carola Sigg
Kapuziner
-
Bernhard Conrad*
Äbtissin
-
Maike Jebens*
Schwester Marthe
-
Carola Sigg
Schwester Claire
-
Julia-Maria Köhler*
Novizin
-
Carmen Birk*
 
* Studenten der Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" Leipzig am Studio Chemnitz
 

KRITIK:

Brillanter Fechter und himmlischer Poet
"Cyrano de Bergerac" als Freiluft-Spektakel auf dem Chemnitzer Theaterplatz

Chemnitz. Tja, für eine SMS hätte sein Gestammel vielleicht gerade noch gereicht. So aber steht er da, in all seiner Schönheit - und sieht auf einmal gar nicht gut aus. Christian de Neuvilette will bei seiner Angebeteten landen, Roxane aber lechzt danach, Geistreiches zu hören. Und weil das der Jüngling nicht fertig bringt, springt ihm einer bei, der die hübsche Dame ebenso liebt und allemal die richtigen Worte findet, sich aber keine Chancen ausrechnet: "Cyrano de Bergerac". Ein Mann aus beiden, das wäre wohl ideal, hätte dann aber nicht so eine schöne Theatergeschichte über den Konflikt von äußerer und innerer Schönheit gegeben.
Das Chemnitzer Schauspielensemble hatte am Sonntagabend zur letzten Premiere in dieser Spielzeit auf den Theaterplatz geladen. Im vergangenen Jahr mit "Jedermann" schon als Freiluftspielort erfolgreich getestet, präsentiert sich der Platz zwischen Petrikirche und Seitenportal des Opernhauses diesmal als treffliches Terrain im Paris des 17. Jahrhunderts sowie als weniger nobles Feldlager, in dem die Pyrotechnik sich mit Knallern und Rauch so richtig austoben kann.
Während man Straßenbahnen in der Ferne quietschen und Düsenjets am nächtlichen
Himmel vorbeirauschen hört, rascheln vor der steil aufgebauten Zuschauertribüne bauschige Frauenkleider, klirren Degen im Zweikampf.
Für ein kleines, hitziges Gefecht ist der Titelheld in Edmond Rostands Heroischer Komödie stets zu haben. Mit allen und jedem legt er sich an, mal mit handfestem Gemenge, mal mit derb-spöttischen Versen. Was für ein Kerl, der vor niemandem Respekt hat und sich gar den Graf de Guiche (Stefan Schweninger), seinen militärischen Befehlshaber, zum Feind macht. Ganz tief drin aber ist er butterweich und vor allem ein Poet, der seine Gefühle in die wundervollsten Reime fassen kann. Gerade so, wie es die Damenwelt gern hat. Sein Dilemma nur: Seine Nase hat beinahe gigantische Ausmaße. Inhalt und Form gehen bei ihm einfach nicht zusammen, was ihn auf die aberwitzige Idee bringt, dem wohlgebauten Kadetten Christian seine um Roxane werbenden Zeilen zu leihen.
Manuel Soubeyrand hat die gleichermaßen verzwickte wie weltberühmte Liebesgeschichte als unterhaltsames Sommerspektakel in Szene gesetzt, bei dem sich flotte Wortspiele mit temporeichen Aktionen abwechseln. Dabei beweist er Sinn für amüsant choreografierte Massenarrangements und witzige Details, etwa wenn in einer Balkonszene zu nächtlicher Stunde Roxane göttlichen Versen lauscht und ihre Fingerspitzen die von Cyrano und Christian zur gleichen Zeit findet, ohne zu ahnen, dass sie es mit zwei Mannsbildern zu tun hat. Mike Hahnes Ausstattung macht für ein Mantel-und-Degen-Stück einen beinahe bescheidenen Eindruck, wobei der Akzent eindeutig auf den Kostümen liegt.
So ist dieser Abend keinesfalls nur ein Ausstattungsstück geworden. Bei aller romantischer Optik bleibt der stolz-traurige Held mit dem gigantischen Zinken wie ebenso großem Herzen stets absoluter Mittelpunkt. Nils Brück, von Maskenbildnerin Anja Nickel mit einem phänomenalen Gesichtserker versehen, ist ein Cyrano, der mit beiden Beinen auf dem gepflasterten Boden steht. Kein unnahbares Klischee von einem Überhelden, sondern ein Mann, der sich zwar draufgängerisch gibt, aber doch auch ungeheuer verletzlich ist. Und so gelingt der Umschwung in der bittersüßen Geschichte durchaus überzeugend: verwegen und pointiert im ersten Teil, tragisch zum Ende, als Cyrano, ein Leben lang unglücklich wegen seines Äußeren, erst im Angesicht seines eigenen Todes Roxane seine Liebe gesteht. Das hat nichts Pathetisches, weil auch Antje Weber glaubhaft zeigt, wie dieser Frau zu spät und schmerzlich bewusst wird, dass sie eigentlich die schöne Seele Cyranos liebte und nicht die schöne Gestalt von Christian, der bei Jan Ole Sroka fast so blass wie sein graues Kostüm bleibt. Freundlichen Applaus gab's vom Premierenpublikum.

Uta Trinks, Freie Presse, 24.06.2003

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  Erstellt am 17.07.2009